Realisierung eines zerstörungsfreien Prüfverfahrens
Motivation und Aufgabenstellung
Das Fügen von metallischen Strukturen durch Lichtbogen- oder Rührreibprozesse ist ein wesentlicher Fertigungsschritt in der industriellen Produktion, z. B. im Maschinen-, Anlagen-, Automobilbau, oder Bauwesen. Ohne den Einsatz der Fügetechnik wären viele Güter gar nicht herzustellen. Ein beachtlicher Teil des erschaffenen Wertes – also die Wertschöpfung – dieser Investitions- und Konsumgüter ist demgemäß direkt auf den Einsatz von Fügetechniken zurückzuführen. Als Schlüsselbereich der deutschen Wertschöpfungskette betrug die Wertschöpfung aus Produktion und Anwendung von Fügetechnik in 2016, 24,8 Mrd. € in Deutschland, 60,8 Mrd. € in Europa und wird zukünftig steigen beispielsweise durch Anteile in der additiven Fertigung durch den vermehrten Einsatz der Lichtbogentechnik [Ke17]. Zum Nachweis der Schweißnahtqualität werden derzeit zerstörende und zerstörungsfreie Prüfmethoden überwiegend nach dem Herstellungsprozess eingesetzt, um Unregelmäßigkeiten entsprechend der Normen festzustellen. In der Regel werden dabei mehrere Prüfverfahren genutzt, da nicht jedes zur Erkennung aller Unregelmäßigkeiten geeignet ist. Beispielsweise ist die Norm DIN EN ISO 17635 „Zerstörungsfreie Prüfung von Schweißverbindungen; Allgemeine Regeln für metallische Werkstoffe“ [DI17] vorhanden. Es soll der Schweißaufsichtsperson die Auswahl einer geeigneten zerstörungsfreien Prüfmethode und die Definition sinnvoller Zulässigkeitsgrenzen erleichtern. Die Kriterien dieser Norm gelten für die Prüfung fertiggestellter Schweißverbindungen. Somit werden die Unregelmäßigkeiten relativ spät erkannt und müssen damit durch Nacharbeit ausgebessert werden. Es wird in der Norm empfohlen, Vor- und Zwischenprüfungen durchzuführen. Zur Auswahl des anzuwendenden Prüfverfahrens sind jedoch folgende Einflussgrößen zu berücksichtigen: Schweißprozess, Grundwerkstoff, Schweißgut und Behandlungszustand, Art und Abmessungen der Schweißverbindung, Bauteilgeometrie, Bewertungsgruppen, zu erwartende Art und Orientierung von Unregelmäßigkeiten. Weiterhin muss Personal, das zerstörungsfreie Prüfungen durchführt und die Ergebnisse für die Endabnahme bewertet, nach Norm DIN EN ISO 9712 [DI12] oder gleichwertig (bis 2012-12 DIN EN 473 [DI08]) in einer geeigneten Stufe in dem relevanten Industriesektor qualifiziert sein. Für die zerstörende Prüfung sind Normen in ähnlicher Weise vorhanden. Dadurch ist eine große Expertise des Prüfpersonals notwendig und ein hoher zeitlicher Prüfaufwand erforderlich. Bestehende Inline-Überwachungstools erfordern aktuell eine aufwendige und sehr spezifische Einrichtung und sind bisher nur auf einzelne Fügeprozesse optimal ausgerichtet und beziehen sich überwiegend auf die Detektion von Änderungen von Prozessparameter, die außerhalb eines Toleranzbereiches liegen. Die Motivation für dieses Forschungsvorhaben besteht darin, eine KI-basierte Toolbox zu entwickeln, welche den aufwendigen Prozess der Einrichtung der Inlinebasierten Prozessüberwachung und die Bewertung der Daten um >85 % reduziert. Hier bieten KI-basierte Frameworks zur flexiblen Orchestrierung und Konfiguration dieser Bausteine enorme Potentiale zur Einrichtung auf neue Fehlertypen und veränderte Rahmenbedingungen. Um dies zu erreichen bietet die akustische Prozessüberwachung enorme Potentiale und soll im Rahmen des Projektes einen Schwerpunkt bilden; weitere Messverfahren sollen jedoch ebenso integriert bzw. berücksichtigt werden. Der Mehrwert des Gesamtsystems liegt darin, schnelle Machine Learning (ML)Verfahren mit menschlichen Expertenwissen bezüglich der Unregelmäßigkeiten zu verbinden, um das Beste aus beiden Welten AKoS Akustische Kontrolle von Schweißnähten bei sicherheitskritischen Bauteilen im Rahmen der Qualitätssicherung 4 zu nutzen: Kontrolle und explizites Wissen mit der Kraft von Lernalgorithmen, die dann auch bei unsicherer Faktenlage ähnlich gut wie ein Mensch bezüglich einer Unregelmäßigkeit entscheiden können. Der Nutzen für KMUs liegt in der Senkung der Prozessnebenzeiten und Produktionskosten durch frühzeitige Erkennung von Unregelmäßigkeiten in FSW, MSG, WIGSchweißverbindungen mit Hilfe von MLVerfahren. Somit wird eine Smart Automation im Bereich der EchtzeitQualitätssicherung in der Fügetechnik geschaffen. Die Marktchancen für das entwickelte System sind hoch, da sowohl neue als auch in der Nutzung befindliche Schweißgeräte bzw. Maschinen, die einen FSW, MSG oder WIGSchweißprozess verwenden, beispielsweise schnell und kostengünstig mit Luftschallsensoren ausgestattet werden können. Dazu ist es notwendig, eine Vorgehensweise in Form eines dynamischen Frameworks zu schaffen, welche effiziente und robuste Algorithmen zur Detektion von Unregelmäßigkeiten enthält.
Schwerpunkte und gemeinsame Ziele
Ziel dieses Projektvorhabens ist es, die bisherigen Erkenntnisse aus Studien und eigenen Vorarbeiten auf verschiedene Fügeprozesse insbesondere Rührreibschweißen (FSW), WolframInertgasSchweißen (WIG) und weitere Lichtbogenarten beim MetallSchutzgasschweißen (MSG) zu übertragen. Dabei steht die Entwicklung eines universell einsetzbaren adaptiven Lernalgorithmus zur Realisierung einer Künstlichen Intelligenz (KI) für die Schweißnahtkontrolle im Vordergrund. Es soll ein Algorithmus entstehen, welcher sich durch die Anpassung seiner Parameter auf möglichst viele Fügeprozesse übertragen lässt und eine Aussage für das Auftreten von ausgewählten Unregelmäßigkeiten, die in den Normen genannt und prozessabhängig sind, erlaubt. Dabei ist wichtig, dass der Algorithmus von Nicht-Experten bedient und auf sich ständig wechselnde Randbedingungen des Fügeprozesses adaptiert werden kann. Damit lassen sich folgende Teilziele ableiten:
Detektion und Analyse von Luftschallemissionen während des FSW-, MSG- und WIG-Schweißprozesses
Untersuchung der Potenziale zur Verbesserung der Vorhersagewahrscheinlichkeit von prozessspezifischen Unregelmäßigkeiten in Kombination von Luftschallemissionen und Prozessparametern
Zeit- und kostenoptimierte Qualitätssicherung von FSW-, MSG- und WIG-Schweißungen sowie einer ortsaufgelösten und automatisierten Dokumentation
Zerstörungsfreie Inline-Prüfung von Schweißungen mit einer minimalen und prozessabhängigen Offset-Zeit zwischen Datenaufnahme und Feststellung einer Unregelmäßigkeit und mit einer Stufenbewertung (1. Stufe: i.O./n.i.O.-Zustand; 2. Stufe: Aussage zur Art der Unregelmäßigkeit) zur Realisierung einer smarten Prozessbegleitung und -überwachung
Es wird ein automatisiertes Konzept von der Datenaufnahme – Luftschallemissionen und Prozessparameter – über die Analyse der Daten im KI-Netz bis zur Auswertung bezüglich der Unregelmäßigkeit entwickelt. Für die Projektbearbeitung sind die Aufstellung des KI-Netzes und das Labeln der gemessenen Daten von zentraler Bedeutung. Die zu entwickelnden Analyseprozesse müssen dem Anspruch im produktionsspezifischen Spannungsfeld von fertigungsbedingten Geräuschen, die nicht im direkten Zusammenhang mit dem Fertigungsprozess des Bauteils stehen – Sprache, andere Maschinengeräusche – , sowie einer robusten Inline-Analyse bei der Auswertung gerecht werden. Unterschiedliche Verfahren bei AKoS - Akustische Kontrolle von Schweißnähten bei sicherheitskritischen Bauteilen im Rahmen der Qualitätssicherung 5 den Methoden des maschinellen Lernens unter Berücksichtigung des Datenformates im Zeit- und Frequenzbereich sollen erprobt und auf ihre Adaptierbarkeit auf die Aufgabenstellung bei den Schweißprozessen untersucht werden. Anhand unterschiedlicher Schweißprozesse soll das zu entwickelnde Konzept bei der Datenanalyse und -auswertung erprobt werden. Von dem hohen Qualitäts-Maßstab, der bei Schweißnähten von sicherheitskritischen Bauteilen erforderlich ist, profitieren alle beteiligten Verbundpartner, indem der Produktionsprozess um komplexe technologische Kenntnisse aus dem Bereich der KI ergänzt werden.
Wissenschaftliche und/oder technische Ziele des Vorhabens
Aus wissenschaftlicher als auch technischer Sicht werden im Rahmen dieses Forschungsvorhabens folgende Ziele verfolgt:
Etablierung einer zerstörungsfreien und berührungslosen Methode im Fertigungsprozess FSW, MAG, WIG zur Sicherung bzw. Erhöhung der Bauteilqualität,
Dimensionsreduktion durch moderne Verfahren zur „feature extraction“ und Identifikation von Hauptmerkmalen,
Untersuchungen zur Detektion von für die allgemeine Zielstellung geeigneten ML-Systemen und –Modellen,
Gewährleistung der Robustheit der entwickelten ML-Algorithmen,
Adaptierbarkeit der ML-Algorithmen in Bezug auf veränderte Kontextbedingungen,
Integration SW-Bibliotheken in die entsprechende Mess- und Prüftechnik,
Entwicklung und Bereitstellung einer Hard- und Software zur Integration in den Fertigungsprozess.
Bezug des Vorhabens zu förderpolitischen Zielen / Förderprogramm
Das Forschungsvorhaben „AKoS“ wird im Rahmen der Richtlinie zur Förderung von Projekten zum Thema „Anwendung von Methoden der Künstlichen Intelligenz in der Praxis“ gefördert. Das Projekt lässt sich dem förderpolitischen Ziel zur deutlichen Steigerung der „breiten Anwendbarkeit von Methoden und Verfahren der KI“ zuordnen und trägt dazu bei, den „Forschungsstandort Deutschland zu sichern, die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft auszubauen und die vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten von KI in allen Bereichen der Gesellschaft im Sinne eines spürbaren gesellschaftlichen Fortschritts“ zu fördern. Dadurch wird es möglich, einen „Transfer der KI-Methoden in die Praxis“ zu realisieren. Hierbei adressiert das Vorhaben die Produktionsforschung durch die Entwicklung von zerstörungsfreien Messmethode und deren Auswertung während des Fertigungsprozesses zur Ermittlung von Prozessän-derungen und deren Auswirkungen auf die Eigenschaften von Verbindungen insbesondere das Erkennen von Unregelmäßigkeiten schön während des Herstellungsprozesses. Es werden Ansätze und Konzepte entwickelt, die es ermöglichen, optimal das Material bzw. das Herstellungsverfahren einzusetzen. Dazu zählt aus Sicht des Schweißprozesses beispielsweise die Vorhersage von Unregelmäßigkeiten, die sich beispielsweise durch Änderung der Prozessparameter und -geräuschen ableiten lassen können. Durch die Anwendung von Methode des maschinellen Lernens auf die Daten wird das Verständnis zwischen AKoS - Akustische Kontrolle von Schweißnähten bei sicherheitskritischen Bauteilen im Rahmen der Qualitätssicherung 6 Herstellungsparameter, Prozessveränderungen und Struktureigenschaften (z. B. Vorhandensein von Unregelmäßigkeiten) verbessert und es können Prognose- und Analysemodelle während der Fertigung für individualisierte Produkte und komplexe Massenprodukte aufgestellt werden.